„PHOBISMUS“ Lutz Braun & Isabelle Fein
„PHOBISMUS“Indem Isabelle Fein dem Pathos mit Ironie begegnet während sie einer alltäglichen Leichtigkeit und Freude bedingungslos verschrieben ist, gelingt es ihr zu zeigen wie kostbar das Leben ist. Vernissage findet am 30.05.2014 um 19:00 statt. zu lutz braun: Text : Felicitas Kirgis Die Arbeiten von Lutz Braun, der in Berlin lebt, zeigen ruinöse, [alb-]traumhafte Landschaften, vereinzelt mit Menschen, die schattenhaft darin auftauchen. Jegliches von einer städtischen Szenerie ausgehende Idyll ist eliminiert. Einsamkeit und Vergänglichkeit herrschen vor – eine Art von Endzeitlichkeit. Und dennoch ist der Raum von einer Atmosphäre erfüllt, die seltsam einladend auf den Betrachter wirkt. Eine bizarre, humorvolle Seite schwingt mit. Der oben beschriebene thematische Aspekt sowie wie die spezifische erzählerische Form sind in Lutz Brauns Malereien und Zeichnungen sehr bedeutsam. Beide Gesichtspunkte werden an Hand der Persönlichkeit des Künstlers wie auch historisch beleuchtet, um ihrer Vielschichtigkeit näher zu kommen.In der Malerei Vägen zum Beispiel wandert eine Figur entlang eines sterbenden Waldes mit Bäumen ohne Grün. Kahl und nackt weisen die Äste wie Arme seitwärts (Abb. S. 2) – ein Motiv, das sich in den überlängten Gliedmaßen der Figur wiederholt und ihre Körperlichkeit vor der kargen Landschaft grotesk wirken lässt. Leere und Stille herrschen vor und befremden. Allgemein gültiges Wissen und die Alltagserfahrung des Betrachters werden so raffiniert kolportiert: Eine bewaldete Landschaft wird bedrohlich, ein Mensch zum Schatten seiner selbst. Doch woher kommt nur dieser Funke des Humorvollen, der gleichsam für die „Hoffnung“ steht?Vor allem die Farbigkeit ist es, die diese Ambivalenz der Darstellung bestimmt und die Verbindung des Künstlers zu seinem ehemaligen Lehrer Per Kirkeby aufzeigt. Während der größere Teil der Arbeit Ton in Ton changierend eine gedämpfte Stimmung suggeriert, hält der wolkenlose Himmel in leuchtendem Blau dagegen. Zur Farbigkeit sagt der Künstler, dass sie als Träger von Stimmungen sein wichtigstes Werkzeug ist. „Aus ihr und in sie fließt meine gesamte Inspiration, und daher möchte ich im Grunde alle meine Absichten, Ideen und Theorien von ihr fernhalten.“ 1 Widmen wir uns also weiter der Form und dem Inhalt – als Träger jener besonderen Braunschen Atmosphäre der Skurrilität mittels Ambivalenz. Instrumente dazu sind Gegensätze und radikales Kontrastieren einerseits, das Dargestellte zu übertreiben und bis zur Überspitzung zu steigern andererseits.Die Theorie des Autors Michail Bachtin in seiner Schrift Literatur und Karneval2 beschreibt jenen Stimmungsaufbau, wenn auch mit ganz anderen Beispielen, dennoch zutreffend. Körperlichkeit und körperbezogene Vorgänge – wie Nahrungsaufnahme oder -ausscheidungen, Begattung, Körperwuchs, Altern, Krankheit, Tod ect.3 – eignen sich in besonderem Maße für bizarre Darstellungen. Und kommt hier der Prozess des Überschreitens und der Überspitzung hinzu, ist das an sich bereits grotesk. Größenverschiebung, Metamorphose, Durchdringung und fruchtbares Überwuchern sind nur einige der Begriffe, die einem beim Betrachten von Lutz Brauns Arbeiten in den Sinn kommen. Als übergeordneter Begriff könnte jedoch Wandlung gelten. Die Grenzen eines abstrakt verstandenen Körpers sind aufgehoben und damit ist „das Groteske (…) auch niemals fertig, es ist ein Werdendes, im steten Aufbau und Erschaffen begriffen mit autonomem Eigenleben.“ 4So ist auch der Tod in seinen vielfältigen Erscheinungsformen allgegenwärtig. Die Landschaften sind nicht mehr nur marode, Figuren haben Totenschädeln ähnelnde Züge anstelle von individuellen Physiognomien. Verwesende, schemenhafte Gestalten und Tiere tauchen auf, Stadtszenerien wirken heruntergekommen und verlassen. Dabei wäre es ein Leichtes, die offensichtliche Affinität des Künstlers zum Tod ausschließlich negativ zu konnotieren. Geht es aber nicht um eine weitaus vielschichtigere Erzählung als nur um die vom Ende? Existiert da nicht auch eine [Vor-]Geschichte? Allen Arbeiten von Lutz Braun ist ein erzählerischer, bühnenhafter Charakter zu eigen. Seine Szenerien wirken wie Filmstills. Neben Anklängen zu Szenarien des Horrorfilms gibt es auch solche zur Tradition des Comicstrips. Eine Momentaufnahme fungiert dabei als repräsentativer Ausschnitt aus einer übergeordneten Handlung. In diesem Sinne reiht sich der Künstler, kunsthistorisch gesehen, auch in eine Tradition ein, die unter anderen William Hogarth zu ihren Vertretern zählt.„Eine Geschichte wird erzählt“ – genau deshalb arbeitet Lutz Braun auch häufig mit Fundstücken. Alte Holzplanken und ausrangierte Teppiche dienen als Malgründe, neben dem klassischen Medium der Leinwand. Dabei geht es jedoch nicht um den Gedanken des Recycelns, sondern darum, mit Vorhandenem zurechtzukommen, die jeweilige Geschichte eines Gegenstandes zu verstehen und künstlerisch nutzbar zu machen, mit der eigenen Inspiration untrennbar zu verschmelzen.Vergangenheit spielt eine Rolle – als Ereignis oder atmosphärisch als Erinnerung – und verbindet sich mit Gegenwart und Zukunft, gleichwertig im Verhältnis zueinander. Lutz Braun strebt danach, die Zeit in seinen Werken aufzuheben, sie als Gleichzeitigkeit aufzufassen und wiederzugeben. Dies ist übrigens auch der Grund dafür, dass er seine Werke nicht datiert. Er möchte sie von überkommenen kulturellen Fesseln befreien, sodass sie sich ihre Verbindlichkeitendurch ihr ‘in- der-Welt-sein‘ aneignen können.Sieht der Betrachter also etwas Reales oder einen Traum, ein Hirngespinst, gar eine Utopie? All das ist möglich, vom einzelnen Aspekt des Wirklichen bis hin zur Mischung ohne Grenzen – im Streben des Künstlers, die Allgegenwart der Endlichkeit zu unterminieren, außer Kraft zu setzen. In den Werken von Lutz Braun soll die existenzielle Angst‚ ‘Die Krankheit zum Tode‘6 durch Verwandlung überwunden werden. Möge der Betrachter so zu einer inneren Freiheit der Gedanken kommen, da der Untergang des Alten die Möglichkeit zum Neuen in sich birgt. 1.) Lutz Braun im vorliegenden Katalog, S. 3.
2.) Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachtheorie. [Übers. von Angela Hauserner]. Frankfurt a.M. 1985. 3.) Vgl. Ebd., S. 17. 4.) Ebd., S. 16. 5.) In der Darstellung des Grotesken geht es um eine positive und innere Freiheit der Gedanken, vgl. Bachtin 1985, S. 28. 6.) Kierkegaard, Soren: Die Krankheit zum Tode, Rowohlt, München 1969. zu isabelle fein:
zeigt arbeiten auf leinwand, keramiken, und graphik
http://www.isabellefein.com/
http://www.parisakind.com/isabelle-fein.html
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